Survival and Healing

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Screening of the documentary „The Song of the Reed“ (Film Taiwan 2014 von Hsiu-Ching Wu)
Veranstaltungsbericht von Tanja Eckhardt / Frauen*solidarität

Am 24. November 2016, dem Vorabend zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, zeigten die Frauen*solidarität und das Vienna Center for Taiwan Studies (TSC) in Kooperation mit dem Amnesty Netzwerk Frauenrechte und den FrauenFilmTagen den Dokumentarfilm „The Song of the Reed“ (Taiwan 2014, 76 Min, Original mit englischen Untertiteln) in Anwesenheit der Regisseurin Wu Hsiu-Ching. Nach einer Begrüßung durch die Frauen*solidarität als Gastgeberin stellte die Moderatorin Astrid Lipinsky, Sinologin und Leiterin des TSC, einleitend das Projekt „Ama Museum – Honor Ama’s Love and Fulfill Their Dreams“ (Ama bedeutet im Taiwanesischen Großmutter) und die Arbeit der Taipei Women‘s Rescue Foundation vor.

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Der Film „The Song of the Reed“ beleuchtete das spätere Leben von sechs ehemaligen „comfort women“, sechs von schätzungsweise 2.000 taiwanesischen Frauen, die im Zweiten Weltkrieg in die Sexsklaverei des japanischem Regimes gezwungen wurden. Produziert wurde der Film durch die NGO Taipei Women’s Rescue Foundation, welche betroffene Frauen seit über einem Jahrzehnt mit Workshops und Beratungen unterstützt. Wu Hsiu-Ching hat über drei Jahre lang die Arbeit der Sozialarbeiter_Innen, ,Support‘-Gruppen und Frauen begleitet und vielfältiges Filmmaterial zusammengestellt. Ein wesentlicher Aspekt des Films sind die Workshops und deren Herangehensweise an die Lebensporträts der Frauen mit ihrer persönlichen Trauerarbeit. Thematisiert wurden unerfüllte Wünsche und Wege zur Entwicklung einer positiven Lebenseinstellung wie auch die schmerzerfüllte Auseinandersetzung der Frauen mit ihren Lebensgeschichten. Die Dokumentation zeigte auf eine vielfältige, feinfühlige und berührende Weise die Lebenswelten der Frauen und deren Überwindung schwerer physischer und mentaler Traumata.

Nach Abspann des Filmes war es für einige Momente ruhig und die emotionale Betroffenheit der Gäst_innen erfüllte den Raum. Aber allmählich kam eine angeregte Diskussion in Gang, in der verschiedene Aspekte des Themas behandelt wurden. Astrid Lipinsky machte es durch ihre Übersetzungen möglich, dass der Sprachenmix zwischen Englisch, Chinesisch, Japanisch und Deutsch für alle verständlich war. Diskutiert wurde zum Beispiel, inwieweit die taiwanesische Regierung sich mit den Frauen solidarisiert und sie auch vor dem Hintergrund ihrer Leidensgeschichte respektiert. Ein respektvoller Umgang mit den Frauen sei erst seit der Erstpräsentation des Filmes 2015 bemerkbar, so die Regisseurin. Sie sieht den Film als ein wichtiges Dokument, um persönliche Einstellungen zu ändern und in der Folge gesellschaftliche Veränderungen zu ermöglichen. Es geht darum, das Thema präsent zu machen und sich mit der Geschichte auf verschiedenen Ebenen auseinanderzusetzen. Auch wenn die Frauen aus dem Leben scheiden – der Film bleibt.


Weitere Fragen setzten sich mit der Haltung der japanischen Regierung auseinander, die sich bis dato zu keiner öffentlichen Entschuldigung durchgerungen hat und das Thema mit einer Abschlagszahlung als abgehandelt betrachtet. Diskutiert wurde auch die Filmsequenz, in der die Frauen in Brautkleidern und nachgestellten Hochzeitsfotos gezeigt werden. Wu Hsiu-ching erklärte die Wichtigkeit dieser Szene, da sie im Rahmen eines Workshops entstanden ist, wo es unter anderem um die Auseinandersetzung mit Wünschen und Lebensmomenten der Frauen ging, die vorbei und so auch nicht mehr nachholbar sind. Diese Bilder zeigten eindrucksvoll, wie das Fotoshooting humorvoll und doch ernsthaft und mit der den Frauen eigenen Dignität verwirklicht wurde.

Es waren 55 Gäst_innen anwesend, nicht nur Studierende aus dem engeren Umkreis der Sinologie, sondern auch china-affine (Bibliotheks-)Besucher_innen, Interessierte aus der feministischen und entwicklungspolitischen Szene sowie Privatpersonen, die sich rege an der Diskussion beteiligten. Im Anschluss an die Veranstaltung – bei einem Umtrunk in der Bibliothek – wurde auch von vielen noch die Gelegenheit genutzt, sich mit Wu Hsiu-Ching und Astrid Lipinsky auszutauschen.